Akute Zwischenfälle bei chronischer Behandlung

Wie geht man mit akuten Zwischenfällen während der Behandlung chronischer Krankheiten um?

Während der Behandlung eines chronischen Krankheitszustandes kann es immer wieder einmal zu akuten Zwischenfällen kommen. Manche sind nur vorübergehender und harmloser Natur  (z.B. Magenverstimmung) , andere sind so gravierend, dass sie die chronische Krankheit suspendieren (z.B.  Influenza-Infektion). Während  im ersten Fall  die chronische Therapie fortgesetzt wird, muss sie im zweiten Fall mit einem Akutmittel unterbrochen werden.

Alles hängt von der Stärke der akuten Störung ab

Hahnemann unterscheidet vorübergehende und harmlose Zwischenfälle, die die chronische Behandlung nur vorübergehend stören, und Zwischenkrankheiten, die epidemisch sind oder aus meteorischen oder tellurischen Ursachen entstanden sind und zu gefährlichen Krisen führen. Letztere stören die Behandlung nicht nur kurz sondern suspendieren/unterdrücken sie für längere Zeit. So wie die chronische Krankheit in diesem Fall suspendiert ist, muss auch das chronische Mittel suspendiert werden (CK (1), S. 163, 164 und Org §221). In diesem Fall ist ein akutes (sog. interkurrentes) Mittel angezeigt.

    • Vorgehen bei akuten Störungen, die durch die Lebenweise oder Diätfehler verursacht werden: Vernünftige Änderung der Diät/Lebensweise, Placebo, liebevolle Pflege, Ruhe.
    • Störung durch akutes physisches Trauma, emotionales Trauma, Vergiftung/Impfung –  bei klarer Causa und mäßig bis starker Verschlimmerung oberflächliches akutes Mittel wählen.
    • Akute Verschlimmerung eines chronischen Miasmas: Die Empfänglichkeit für meteorische und tellurische Einflüsse und Ansteckungskrankheiten ist eng verknüpft mit den angeborenen oder erworbenen Belastungen und es kann sein, dass das Mittel für die akute Krankheit auch das Mittel für den chronischen Zustand ist bzw. das  chronische Mittel die akute Störung beseitigt. Bei krisenhaftem Verlauf  bzw. sehr beeinträchtigender Symptomatik wird mit einem akuten Mittel eingegriffen.

Mittelwahl  bei Zwischenkrankheit

In Paragraf 221 schreibt Hahnemann, dass die Zwischenkrankheit, obwohl dem chronischen Miasma entsprungen, in ihrem akuten Anfang NICHT mit dem chronischen Mittel behandelt werden sollte sondern mit einem passenden Akutmittel. Woran erkennt man aber, ob die chronische Krankheit suspendiert ist? Sie ist suspendiert, wenn die chronischen Symptome in den Hintergrund treten.

Die Mittelwahl erfolgt nach Causa oder veranlassender Ursache und den aktiven Symptomen – Modalitäten, Orten, Empfindungen und Begleit- und Nebensymptomen. Die chronische Anamnese spielt keine Rolle! Das Mittel wird in hoher Potenz und geringer Dosis verabreicht.

Kent erklärt es so: Beide Krankheitsbilder – akut und chronisch – halten den Organismus besetzt, aber nur das akute ist aktiv. Die chronischen Symptome schweigen während der Herrschaft der akuten Krankheit, da sie unterdrückt/suspendiert sind. Chronische und akute Symptome müssen also getrennt gehalten werden. Berücksichtigt man die Totalität der Symptome wird man das heilende Mittel nicht finden. Kent erklärt, dass akutes und chronisches Miasmen sich NIE zu einem Komplex verbinden, andere Homöopathen sehen diese Möglichkeit durchaus als Folge einer unzulänglichen Behandlung.

Es macht aber durchaus Sinn die chronischen Symptome aufzunehmen, damit man – wie Kent es ausdrückt – weiß, was man zu erwarten hat, wenn die akute Krankheit endet und das chronische Geschehen wieder in den Vordergrund rückt. Nicht immer treten aber die alten chronischen Symptome unverändert wieder auf, u. U. erscheinen auch neue Symptomengruppen.

Warum Zwischenkrankheiten Akutmittel erfordern

Auch hier gilt das Ähnlichkeitsprinzip: akute Krankheit  – akutes Mittel, chronische Krankheit – chronisches Mittel. Ergibt sich bei der Repertorisation einer akuten Krankheit ein tiefgreifendes chronische Mittel, sollte man daran vorbeigreifen und ein oberflächlich wirkendes Similimum suchen.

Interessant ist die Frage, was passiert, wenn ein akuter und schwerwiegender Zwischenfall (z.b. eine schwere Virusinfektion) nicht adäquat akut therapiert wird,  sondern stattdessen  das chronische Mittel wiederholt wird. Mittel und akute Krankheit sind sich nicht ähnlich, Heilung der akuten Krankheit findet nicht statt, allenfalls eine Unterdrückung. Auch das chronische Miasma wird nicht positiv beeinflußt werden, da es nicht die aktive Krankheitsebene ist.

Akutmittel und ihre chronischen Komplementärmittel

Hier eine Zusammenstellung akuter Mittel und ihrer chronischen Partner aus Der Weg zum Simile von Luc de Schepper. Bei akuter Krankheit während chronischer Therapie macht es Sinn, einen Blick auf das oder die komplementären Akutmittel des chronischen Mittels zu werfen.

Akutmittelchronische Komplementärmittel
AconitumSulphur
Allium cepaPhosphorus
ApisNatrium muriaticum
ArsenicumCarbo vegetabilis, Natrium sulphuricum, Nitricum acidum, Thuja
BacillinumCalcium phosphoricum
BelladonnaCalcium carbonicum
BryoniaAlumina, Natrium muriaticum, Phosphorus
ChamomillaMagnesium carbonicum, Sanicula
ColocynthisCausticum, Lycopodium, Staphisagria, Thuja
Hepar sulphurisSilicea
IgnatiaNatrium muriaticum, Sepia
IodumLachesis
IpecacuanhaAntimonium tartaricum, Cuprum, Natrium sulphuricum
Kalium bichromicumSulphur, Thuja
LachesisLycopodium
MercuriusAurum, Syphilinum
Nitricum acidumSulphur, Syphilinum
Nux vomicaLycopodium, Sepia, Sulphur
PulsatillaCalcium carbonicum, Medorrhinum, Silicea, Thuja
Rhus toxicodendronCalcium carbonicum
StramoniumCalcium carbonicum