Allergien und Allergietests beim Pferd

Allergie oder doch nur Überempfindlichkeit?

Die Weidezeit mit Insektenattacken ist vorbei, jetzt beginnt mit der vermehrten Stallhaltung die Hoch-Zeit der Milben und Schimmelsporen. Sommerekzemer und ihr Besitzer atmen auf, von Milben- oder Schimmelsporen gequälte  Pferde und Besitzer atmen schwerer. Leider ist es nicht immer einfach, den Übeltäter für die beobachteten Gesundheitsprobleme zu identifizieren. Und nicht alles, was wie eine Allergie aussieht oder auch so heißt, ist tatsächlich eine Allergie. Überempfindlichkeiten oder Unverträglichkeiten sind keine Allergien, auch wenn es oft fälschlicherweise so heißt.  Husten nach Einatmen von Staub ist kein Anzeichen einer Allergie. Die Sonnenallergie ist eigentlich gar keine Allergie sondern eine Lichtdermatose. Und die Glutenallergie ist eigentlich eine Intoleranzreaktion. Viele Nahrungsunverträglichkeiten sind Intoleranzen aufgrund eines Enzymmangels und keine Allergien. Die Gegenmaßnahmen unterscheiden sich aber nicht:  Bei Allergie wie Überempfindlichkeit schafft nur die Vermeidung des Kontaktes mit dem Auslöser Abhilfe.

Die Typ-1-Allergie

Bei Typ-1-Allergien kommt der Körper über Haut oder Schleimhaut mit einem Allergen in Kontakt. Allergene sind kleinste Partikel, meistens Proteine, können aber auch  Kohlenhydrate, Lipide o.a. sein, die sich z.B. auf der Oberfläche von Pollenkörnern oder auf dem Kot von Milben oder auf Zellen befinden und in den Körper (in die Schleimhaut) eindringen. Das Immunsystem erkennt den Eindringling als fremd und stuft ihn fälschlicherweise als gefährlich ein. Es werden zunächst freie spezifische Antikörper der Klasse Immunglobulin E (IgE) gebildet, die sich auf bestimmte Immunzellen, sogenannte Mastzellen setzen. Die Mastzellen sind in großer Zahl in der Haut und in der Schleimhaut der Atemwege und des  Magen-Darm-Traktes zu finden.  Sie enthalten in kleinen Bläschen Histamin und andere Botenstoffe der allergischen Reaktion. Bis hierhin bezeichnet man diesen Vorgang als Sensibilisierung. Es treten keine klinischen Symptome auf, an denen man die Sensibilisierung erkennen könnte.

Erst wenn  der Körper nach einer derartigen Sensibilisierung erneut mit dem Allergen in Kontakt kommt, docken die Allergene an das spezifische IgE auf den Mastzellen an und es kommt zu einer explosionsartigen Freisetzung von Histamin und den anderen Botenstoffen (Leukotrine, Prostaglandine u.a.) aus den Mastzellen. Diese Botenstoffe rufen dann die allergische Sofortreaktion in unterschiedlichen Organen hervor.

 Ausschließlich  solche IgE vermittelten Reaktionen des Immunsystems vom Typ 1, können durch Allergietests mehr oder weniger zweifelsfrei nachgewiesen werden. 

Typ-1-Allergien beim Pferd

Tatsächlich konnte bisher nur für 2 Erkrankungen des Pferdes zweifelsfrei aufgezeigt werden, dass es sich um allergische Erkrankungen handelt:  das Sommerekzem und die Urtikaria. Fraglich und viel diskutiert ist die allergische Natur für COPD (RAO/´ oder IAD). Die gefürchtete Atemwegserkrankung des Pferdes  ist allerdings vermutlich eine Überreaktion der Atemwege auf Umweltkomponenten wie z.B. Schimmelsporen und hat eine entzündliche (inflamatorische) Ätiologie. Der IgE-Nachweis erfolgte erstmals in einer Studie von 1980 und konnte seither nicht  mehr bestätigt werden.

Sommerekzem

Übeltäter ist die Culicoides-Mücke bzw. ihr Speichel. Es gibt eine Reihe von Allergenen im Speichel der Mücke. Welches im Einzelfall die allergische Reaktion auslöst, läßt sich nicht feststellen und kann von Pferd zu Pferd variieren.

Urtikaria

Auslöser der Urtikaria sind Nahrungsmittelbestandteile. Grundsätzlich kommt da alles infrage, was im Futtermittel enthalten ist inkl. technische Hilfsstoffe und Zusätze. Urtikaria kann einmalig oder sporadisch und wenig bis extrem belastend sein. Die schlechte Nachricht: Der Auslöser ist mit derzeitigen Tests kaum sicher zu identifizieren, d.h. die Tests helfen meist nicht weiter.

Verschiedene Methoden des Allergienachweises

Es werden verschiedene Tests zum Allergienachweis angeboten. Manche machen nur Sinn in Zeiten mit klinischen Symptomen, andere können auch in symptomfreien Zeiten mit Nutzen eingesetzt werden, um einer Allergie auf die Spur zu kommen.

Grundsätzlich unterscheidet man intradermale/intracutane Tests (in vivo – am lebenden Tier) und Bluttests und zelluläre Tests mit Mastzellen (in vitro – im Reagenzglas).

Intracutantest

Beim Intracutantest werden Allergenkonzentrate in die Dermis (Lederhaut) injiziert und die Reaktion (im Falle einer Allergie Schwellung, Quaddelbildung) beobachtet. Nach 10-20 Minuten kann die Reaktion abgelesen werden.

Nachteil: Eine Fläche von 10×15 cm muss am Hals geschoren werden, in der Regel mit Klinikaufenthalt verbunden, starke Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock können nicht ausgeschlossen werden.

Dieser Test hat von allen möglichen Allergietests die größte Aussagekraft!

Bluttests

  • Gesamt IgE im Serum: bei Atopie und Parasitosen deutlich erhöht. Eine Erhöhung ist nicht beweisend für eine Allergie und umgekehrt muss auch bei einer Allergie der Wert nicht zwingend erhöht sein. Der Test hat für sich alleine also wenig Aussagekraft.
  • Spezifische IgE im Serum: Der Titer allergiespezifischer freier  IgE im Serum wird bestimmt. Macht Sinn ab 6 Wochen nach Ausbruch der Symptome und ist sinnlos in der symptomfreien Zeit, da die spezifischen IgE dann nicht nachweisbar sind. Auch die Aussagekraft dieses Tests ist begrenzt. Kreuzallergien erschweren die Beurteilung der Ergebnisse.

Tests auf Zellbasis

  • CAST – Cellular-Antigen-Stimulationstest: die Reaktion auf Allergene wird über die Höhe der Leukotrin-Ausschüttung der basophilen Granulozyten gemessen. Der Test kann saisonunabhängig durchgeführt werden und wird von Laboklin angeboten
  • FIT: die Reaktion auf Allergene wird über die Höhe der Histaminausschüttung der basohilen Granulozyten gemessen. Der Test kann ebenfalls  saisonunabhängig eingesetzt werden und wird von der TiHo Hannover angeboten.

Die Aussagekraft dieser Tests ist geringer als die des direkten spezifischen IgE-Nachweises. Beide Tests weisen die Sensibilisierung aber nicht zwingend eine Allergie nach: auch bei negativem spezifischem IgE sowie negativem Hauttest kann eine IgE vermittelte Sensibilisierung nachgewiesen werden. Die Allergie wird durch die erfolgte Sensibilisierung möglich, unter Umständen bleibt es aber auch lebenslang bei der Sensibilisierung. Das hängt davon ab, ob (und wann) es zu weiterem Kontakt mit dem Allergen kommt.

CAST und FIT gehören nicht zur Routinediagnostik, werden nur vom Speziallabor angeboten und machen nur Sinn bei Verdacht einer IgE-vermittelten Allergie und unklaren diagnostischen Vorbefunden. Auch im Rahmen einer Ankaufuntersuchung können die Tests sinnvoll sein:

Das Sommerekzem des Pferdes ist rechtlich gesehen ein Sachmangel und nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs gilt schon die entsprechende Sensibilisierung  als Sachmangel!

Macht die IgG -Bestimmung im Serum Sinn ?

Die Allergien, die beim Pferd Probleme bereiten, sind Allergien vom Sofort-Typ-1. Da macht grundsätzlich nur die Bestimmung von IgE Sinn. IgE wird bei allergischen Reaktionen vermehrt gebildet. IgG wird demgegenüber immer bei einem Kontakt mit einem Fremdeiweiß gebildet. Das ist vollkommen normal (also Ausdruck der Immuntoleranz) und kein Ausdruck einer Überreaktion des Immunsystems. IgG-Bestimmungen führen gerade bei Verdacht auf eine Futtermittelallergie zu einer langen Liste von Futtermitteln, die vermeintlich zu meiden sind.

Kommt es nach Kontakt mit einem Fremdeiweiß zu einer allergischen Reaktion mit IgE-Bildung, zeigt ein gleichzeitig erhöhter IgG-Wert nur an, dass schon vorher ein Kontakt stattgefunden hat. Das ist aber die Voraussetzung für die Sensibilisierung und Allergiemanifestation und damit schon im Vorfeld klar: Ohne Erstkontakt keine Sensibilisierung und ohne Sensibilisierung keine Allergie. IgG-Bestimmungen kann man sich zur Bestätigung einer Futtermittelallergie also sparen.

IgG zeigt an, mit welchem Fremdeiweiß der Organimus schon in Kontakt war. Die IgG-Bildung ist eine normale phsiologische Reaktion auf den Kontakt mit Fremdeiweiß. Erhöhte IgG-Werte zeigen keine Allergie an

Macht eine Hypo-/Desensibilisierung Sinn?

In der Humanmedizin werden Immuntherapien mit Erfolg durchgeführt. Beim Pferd ist es derzeit noch ein Experiment. Ganz abgesehen davon, dass die Feststellung des auslösenden Allergens (siehe oben) schwierig ist.

Fazit: Angesichts der vielen Unsicherheiten der gängigen Allergietests verbunden mit hohem Aufwand und Kosten macht es Sinn, sich die Frage der Notwendikeit zu stellen.

Mehr Infos zum Thema:

Allergien beim Pferd – Stand der Wissenschaft
Interview mit Prof. Bettina Wagner –  pferde.spiegel 01/2016
CAST-Info von Laboklin
FIT-Info der TiHo Hannover
FIT-Testumfang und Preise
Allg. Info zur In-vitro-Allergiediagnostik
Leitlinie Keine Empfehlung für IgG-Bestimmung gegen Nahrungsmittel
Doktorarbeit zum Thema Atopie und Histaminwirkung beim Pferd – Uni München, Cornelia Völzke