Getreide mit Recht im Verruf?
Getreide ist ein Hauptbestandteil menschlicher Ernährung und auch in der Tierernährung spielt es eine Rolle. Getreide im engeren Sinne sind Zuchtformen von Gräsern (botanisch Poaceae). Als Lebens- oder Futtermittel verwendet werden die Samenkörner der Pflanzen. Diese enthalten viel Stärke (Kohlenhydrat), Eiweiß, Fett und Mineralstoffe. Getreidesorten sind: Weizen, Roggen, Gerste, Reis, Mais, Hirse, Hafer, Triticale, Wildreis.
Inwieweit das Getreide einer artgerechten Ernährung verschiedener Tierarten entspricht, soll hier nicht thematisiert werden. Unser Augenmerk liegt auf dem Eiweiß Gluten als wichtigem Bestandteil des Getreidekorns.
Gluten hält alles zusammen
Die Bezeichnung Gluten kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Leim. Gluten macht Mehle backfähig, als Kleberweiweiß bewirkt es das Aufgehen des Teiges (Einschluß von Wasser und Gasen) und gibt dem Brot seine Struktur und seine Konsistenz. Manche Getreide enthalten viel Gluten, andere wenig, wieder andere gar keines. Weizen wird auf einen hohen Glutenanteil hin gezüchtet, etwa 80% des Weizenproteins macht das Gluten aus. Im handelsüblichen Weizenmehl liegt der Kleberanteil bei 13%, im fertigen Teig bei 30-35%.
Die anderen Getreidesorten enthalten weniger Gluten als der Weizen.
Gluten – eine Eiweißmischung
Gluten ist genau genommen eine Eiweißmischung aus Prolamin und Glutelin. Weizen enthält das Prolamin Gliadin und das Glutelin Glutenin, Roggen enthält Secalin/Secalinin, Gerste Hordein/Hordenin, Hafer Avenin/Avenalin, Mais Zein/Zeanin, Reis Oryzin/Oryzinin, Hirse nur das Prolamin Kafirin und gar kein Glutelin.
Die Bezeichnung Gluten ist vom Glutelin des Weizens abgeleitet. Wegen ihres geringen Gehaltes an Gluten sind alle Getreidesorten außer Weizen nicht backfähig, man kann allenfalls Fladenbrote damit backen.
Gluten spielt aber nicht nur eine Rolle bei den Backeigenschaften von Mehlen, es wird aufgrund seiner Eigenschaften vielfältig als Zusatz- und Hilfsstoff in der Lebensmittelindustrie eingesetzt zur Stabilisierung, Emulgierung und vor allem als Trägerstoff von Gewürzen und Aromen. Es steckt in Fertiggerichten und Saucen, Kartoffelchips, Popcorn, Wurstwaren und aromatisierten Tees.
Getreide oder Pseudogetreide?
Vom Getreide unterschieden muss man die sogenannten Pseudogetreide, Samenkörner von Pflanzen, die nicht zur Familie der Gräser (Poaceae = alle echten Getreidearten) gehören. Die Samen sind ebenfalls meist sehr reich an Stärke, Eiweiß, Mineralstoffen und Fett. Zu den Pseudogetreide gehören Amarant (Amaranthus L., Fuchsschwanzgewächse), Buchweizen (Fagopyrum esculentum Moench, Knöterichgewächse), Quinoa (Chenopodium quinoa Willd., Fuchsschwanzgewächse, auch Reismelde, Inkakorn oder Perureis). Buchweizen wird traditionell hauptsächlich in China, Russland und in Kanada angebaut, Quinoa und Amarant in Mittel- und Südamerika.
Die Pseudogetreide sind glutenfrei, enthalten keine Prolamine und Gluteline!
Gluten und Dünndarmentzündung
Gluten steht im Zusammenhang mit einer schwerwiegenden Darmerkrankung des Menschen, der Zöliakie oder Sprue. Dabei handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Dünndarmes, die schon lange bekannt ist und als deren Auslöser das Weizengluten identifiziert wurde.
Der Dünndarm besitzt zur Aufnahme der Nährstoffe zahlreiche Zotten, das sind fingerförmige Ausstülpungen der Darmschleimhaut. Bei Zöliakiekranken werden diese Darmzotten geschädigt bzw. ganz zerstört, wenn Gluten aufgenommen wird. Und zwar reichen kleinste Mengen aus. Mögliche Symptome sind: Blähungen, Übelkeit, Schmerzen, Appetitlosigkeit, ständiger Durchfall. Die Symptomatik verschwindet bei glutenfreier Kost.
Mittlerweile hat man herausgefunden, dass nicht das Weizengluten als solches der Übeltäter ist sondern das Gliadin und dass wohl auch andere Prolamine in den übrigen Getreidesorten ähnliche Reaktionen auslösen können. Das alles ist aber noch nicht so eindeutig bewiesen, wie man an den zum Teil widersprüchlichen Angaben in der Literatur sieht. Sicher ist, dass durch striktes Meiden von allen Weizen-, Roggen-, Gerste- und Hafersorten die Veränderungen im Darm rückgängig gemacht werden können und Beschwerdefreiheit erzielt werden kann.
Hafer gilt an sich als verträglich, ist aber niemals so frei von anderen Getreideanteilen, dass er keine Reaktionen auslösen würde. Beim üblichen Ackerbau mit Wechsel der Frucht mit Winter- und Sommersorten ist niemals reiner Weizen, Roggen, Gerste oder Hafer zu gewinnen. Das ist schlichtweg unmöglich, weswegen auch der Hafer zu meiden ist, da er immer Beimengungen von Weizen enthält. Wildreis ist umstritten.
Die Empfehlungen für Zöliakie-Kranke lauten, dass Mais, Reis, Hirse und die Pseudogetreide (Buchweizen, Amarant, Quinoa) verzehrt werden dürfen.
Autoimmunerkrankung als Ursache für Zöliakie
Man weiß mittlerweile, dass Gliadin bei der typischen Zöliakie über eine Autoaggressionsreaktion (gegen sich selbst gerichtete Abwehrmaßnahme) des Körpers zu der Zerstörung der Darmschleimhaut führt, die eine normale Nähr- und Wirkstoffaufnahme unmöglich macht. Gluten/Gliadin ist nicht der Auslöser der Autoimmunerkrankung, es löst aber infolge der Autoimmunerkrankung die schwere Symptomatik aus. Können bestimmte Antikörper im Blut nachgewiesen werden (IgA) und zeigt die Biopsie ein bestimmtes Zellbild, spricht man vom Vollbild der typischen Zöliakie. Eine absolut glutenfreie Diät schafft Beschwerdefreiheit. Die Folgekrankheiten werden günstig beeinflusst.
Andere Glutenunverträglichkeiten
In manchen Fällen untypischer Darmssymptome werden im Blut andere Antikörper gegen Gliadin (IgG, Komplemente) nachgewiesen Diese Patienten reagieren positiv auf eine Verminderung des Glutenanteils in der Nahrung. Einige Autoren rechnen dieses Krankheitsbild als untypische Form der Zöliakie zu, andere nennen es glutensensitives Reizdarmsyndrom.
Daneben gibt es auch Sofortreaktionen auf Gliadin, wie man sie von anderen Lebensmittelallergien her kennt.
Anscheinend können manche Individuen Gluten auch nicht vollständig verdauen. Ähnliches ist auch für Kasein, ein Milchprotein, bekannt. Bei den Betroffenen erfolgt während der Verdauung keine vollständige Aufspaltung in Aminosäuren, es bleiben längere Bruchstücke aus vielen Aminosäuren zurück, sogenannte Peptide. Diese Peptide werden resorbiert und entfalten auf Gehirn und Nervensystem eine ähnliche Wirkung wie Opium.
So viel zur Gluten/Gliadin-Unverträglichkeit beim Menschen. Wie sieht es beim Tier aus? Das Krankheitsbild der Zöliakie wird für den Hund nicht beschrieben. Es sind allerdings Darmerkrankungen bekannt, die auf glutenfreie Nahrung positiv reagieren. Das würde dann am ehesten den untypischen Zöliakieformen beim Menschen entsprechen. Dass mit diesen Darmsymptomen wie beim Menschen auch andere Krankheiten assoziiert sein können, ist nicht auszuschließen.
Canine Epileptoid Cramping Syndrome
Das CECS (Syn. Spike’s disease) ist eine neurologische Erkrankung bei Haushunden (vor allem beim Border Terrier). Genaues über die Ursache der Erkrankung weiß man nicht, es wird vermutet, dass es sich um eine spezielle Form der Glutenunverträglichkeit handelt. Es kommt zu epilepsieähnlichen Krampfanfällen OHNE Bewußtseinsverlust, die auf die gängigen Antiepileptika nicht ansprechen. Erstmalig treten die Anfälle im Alter von 6 Wochen bis 7 Jahre auf. Betroffen ist die Skelettmuskulatur und/oder die Darmmuskulatur. Die Anfälle dauern Sekunden bis Stunden, zwischen den Anfällen sind die Tiere unauffällig. Die typischen Symtome der Epilepsie (Aura, Speicheln, Urinabsatz) fehlen.
Zitat Wikipedia: Eine Studie zeigte eine subjektiv empfundene Verminderung der Anfallshäufigkeit nach Verabreichung eines Gluten-freien Futters.
Glutenfreiheit sinnvoll oder nötig?
Eine glutenfreie/glutenreduzierte Ernährung macht nur Sinn, wenn eine entsprechende Erkrankung vorliegt, die auf Gluten reagiert. Es mag mehr Krankheitsfälle als bisher bekannt geben, die mit Gluten in Zusammenhang stehen, aber das trifft eben nicht auf jede Erkrankung zu. Der Nachweis spezieller Antikörper im Blut würde darüber Aufschluß geben, ist aber für den Hund unüblich. Bei Verdacht auf einen Zusammenhang sollte auf Weizen, Gerste, Roggen, Hafer sowie jegliche Zusatzstoffe (auch die nicht deklarierten!!) im Futter verzichtet werden. Das bedeutet, dass ausschließlich ohne Zusätze produzierte Futtermittel gefüttert werden sollten, die nachweislich die genannten Getreidesorten NICHT enthalten.