Leishmaniose – Infektion und Immunstatus

Dieser Beitrag ist Teil 3 von 6 in der Serie Leishmaniose

Der Immunstatus entscheidet über den Verlauf von Leishmaniose-Infektion und Erkrankung

Man unterscheidet subklinische und manifeste Infektionen, selbstlimitierend oder chronisch mit tödlichem Verlauf.  Eine latente infektion muss nicht  zwingend fortbestehen, kann sich aber durch Unterdrückung des Immunsystems und besondere Belastungen jederzeit zu einer manifesten Infektion mit klinischen Symptomen und tödlichem Ausgang entwickeln.
Der Infektionsverlauf und auch die Manifestation (Haut oder innere Organe) wird wesentlich vom Immunstatus bestimmt bzw. davon, ob die zellvermittelte oder die humorale Abwehr bei der Reaktion auf den Erreger überwiegt.

In Gebieten mit weiter Verbreitung der Leishmaniose werden Resistenzen beobachtet. Es konnten auch schon Leishmaniose-Antikörper in Individuuen nachgewiesen werden, die nachweislich noch nie Kontakt mit dem Erreger hatten.

Angeborene und adaptive, zellvermittelte und humorale lmmunantwort

Die Sandfliege inokuliert die Leishmanien in die Haut. Erreger und befallene Zellen werden vom angeborenen Immunsystem aufgrund seiner genetischen Programmierung als fremd bzw. verändert identifiziert und von Makrophagen im Gewebe und in Körperflüssigkeiten aufgenommen und vernichtet  (=zellvermittelte angeborene Immunantwort).

Reicht das zur Vernichtung des Erregers nicht aus, signalisieren die Makrophagen dem Immunsystem, dass es tätig werden sollte. Es werden Botenstoffe ausgesendet, die weitere Makrophagen und natürliche Killerzellen heranlocken. Die zellvermittelte Immunantwort arbeitet hier eng mit der humoralen Immunantwort (Bildung von Botenstoffen in Körperflüssigkeiten) zusammen. Bis hierhin haben wir es immer noch mit der angeborenen Immunantwort zutun.

Reichen die Abwehrmaßnahmen nicht aus, werden schwerere Geschütze aufgefahren. Die Makrophagen haben nämlich noch eine andere wichtige Funktion, die über die Vernichtung von Erregern und das Auslösen einer Entzündungsreaktion hinausgeht. Es gibt eine Unterart von Makrophagen, die den Erreger aufnehmen, abbauen und spezifische Peptide als Antigene (Erkennungsmerkmale des Erregers) außen auf ihrer Oberfläche präsentieren. Es werden die sogenannten TH1-Zellen aktiviert, die beim Erkennen der Antigene auf befallenen Makrophagen eine Interferonbildung auslösen und in den Makrophagen die Verdauungsvorgänge aktivieren und außerdem weitere Makrophagen und TH1-Zellen aktivieren. Das alles gehört noch zum angeborenen Immunsystem und zwar zur humoralen Immunantwort (hier setzt auch die Impfung Canileish® an).

Gleichzeitig werden die auf der Oberfläche der Makrophagen präsentierten Antigene von B-Zellen (Lymphozyten) im Blutplasma und lymphatischen Organen erkannt und die B-Zellen beginnen mit der Antikörperbildung, die auf den Erreger abgestimmt ist.  Und das ist nun die humorale Immunantwort des adaptiven Immunsystems.
Ein Teil der B-Zellen wird nach Kontakt mit dem Antigen zu B-Gedächtniszellen. Bei erneutem Kontakt mit dem Erreger reagieren diese Gedächtniszellen sofort mit der Produktion von Antikörpern.
Im Rahmen der adaptiven humoralen Immunantwort werden außerdem die TH2-Zellen aktiviert. Sie erkennen das spezielle Antigen und aktivieren über die Bildung von Botenstoffen weitere Makrophagen, weitere B-Zellen (und damit weitere Antikörperbildung) und T-Killerzellen. Die TH2-Zellen unterdrücken die Tätigkeit der TH1-Zellen.

Alles ist fein aufeinander abgestimmt, um schädliche Überreaktionen des Immunsystems zu verhindern und eine ausreichende Tätigkeit des Immunsystems sicherzustellen.  Entgleisungen können aber immer vorkommen.

Die Antikörperbildung läuft nicht gleichmäßig ab d.h. nicht alle Fraktionen werden gleichzeitig und von Beginn an produziert. So werden z.B. zu Beginn der Infektion vermehrt IgM gebildet, die vorwiegend Botenstoff-Funktion haben, später werden IgG zur Vernichtung des Erregers gebildet. IgG sind die eigentlich protektiven (vor dem Erreger schützenden) Antikörper. Je nach Erreger und Verlauf sind da aber auch Verschiebungen möglich. Überwiegen nachhaltig IgM kommt es bei hoher und äquimolarer Konzentration von IgM und Antigenen zur Bildung von großen und unlöslichen Immunkomplexen, die im Gegensatz zu den einfachen Komplexen aus einem IgG und einem Antigen nicht löslich und in der Leber nicht abbaubar sind. Sie führen zu schweren Gefäß- und Organschäden.

Wie die Leishmanien das Immunsystem austricksen

Die Bekämpfung der Leishmanien durch das Immunsystem wird wesentlich erschwert durch einen Trick, den die Leishmanien entwickelt haben, um ihr Überleben entgegen allen Bemühungen des Immunsystems zu sichern:
Sie lassen sich aufnehmen von den Makrophagen und vermehren sich in den Makrophagen anstatt sich von ihnen vernichten zu lassen! Außerdem verhindern sie, dass die befallenen Makrophagen die Botenstoffe produzieren, die weitere Reaktionen des zellständigen und humoralen Immunsystems auslösen. Dabei gehen sie sehr geschickt vor.

Für das Immunsystem sind die befallenen Makrophagen gesund, von ihnen geht keine Infektionsmeldung mehr aus. Außerdem werden die Leishmanien von den Makrophagen nach Aufnahme nicht vernichtet.

Der Freitod der Leishmanien

Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts fanden 2014 heraus, dass immer wenn lebende Leishmanien gemeinsam mit toten Leishmanien phagozytiert werden, die lebenden Leishmanien nicht vernichtet werden. Nur dann vermehren sie sich in der Zelle, lösen die Zellwand auf, streuen weiter und befallen weitere gesunde Makrophagen. Woher kommen aber die toten Leishmanien?

Dass parasitäre Einzeller zu einem apoptose-ähnlichen Zelltod befähigt sind und dass das dem Überleben der Population dient, weiß man seit 1999. Und zwar geht man davon aus, dass die dadurch erreichte Reduktion der Parasitenpopulation im Vektor den Vektor schont. Überlebt die Sandmücke, kann sie den Erreger übertragen. Würde sie durch zu starken Parasitenbefall zugrunde gehen, wäre das nicht im Sinne des Erregers, dessen erklärtes Ziel die Vermehrung und das Überleben seiner Art ist.

Werden die toten Leishmanien auf Mensch oder Tier übertragen und werden sie zusammen mit lebenden Leishmanien phagozytiert, verändern sie die Vorgänge in den Makrophagen derart, dass in den betroffenen Makrophagen keine Verdauung der Erreger stattfindet und keine weitere Aktivierung der zellvermittelten und adaptiven Abwehr, dass im Gegenteil eine ungestörte Vermehrung des Parasiten möglich ist.

Vermehrung und Vernichtung der Leishmanien laufen nebeneinander ab

  • Werden ausschließlich tote Leishmanien phagozytiert, passiert überhaupt nichts. Die parasitären Zellen werden recycelt, ohne dass sich im Immunsystem weiteres tut. Es wird keine Meldung ans Immunsystem weitergegeben, dass eine feindliche Attacke vorliegt. Signalisiert wird, dass alles in Ordnung ist. Die toten Leishmanien unterdrücken so die normalen Aktivitäten des Immunsystems.
  • Werden tote und lebende Leishmanien gleichzeitig phagozytiert, wird die Verdauung der lebenden Leishmanien verhindert und damit auch die weiteren Aktionen/Reaktionen des Immunsystems. Auch hier werden die normalen Reaktionen des Immunsystems also unterdrückt.
  • Phagozytiert eine Makrophage ausschließlich lebende Leishmanien, werden diese vernichtet und es wird gegebenenfalls die Bildung von Botenstoffen ausgelöst, die das angeborene und das adaptive Immunsystem aktivieren. Dem Immunsystem werden Antigene präsentiert und es wird u.U. eine Antikörperbildung angestoßen.
    Hier müssen wir weiter unterscheiden nach Schwerpunkt der Immuntätigkeit:

    • Schwerpunkt zellständige Abwehr –> subklinische Infektion, selbstlimitierende Verläufe, leichtere Verläufe im Erkrankungsfall, kutane Manifestation
    • Schwerpunkt humorale Abwehr –> schwere Verläufe, viszerale Manifestation, nicht protektive Antikörper, unlösliche Immunkomplexe, Organschäden

Dazwischen sind viel Übergänge möglich. Es ist jedenfalls leicht ersichtlich, wie wichtig ein guter Immunstatus bei einer Leishmanien-Infektion ist. Die Leishmanien sind in der Lage das Immunsystem zu unterdrücken, eine zusätzliche Herausforderung des Immunsystems oder eine weitere Unterdrückung kann dazu führen, dass eine Erkrankung ausbricht oder sich der Verlauf einer Erkrankung drastisch verschlechtert.

Der Verlauf der Infektion/Erkrankung wird wesentlich davon bestimmt, wo der Schwerpunkt der Abwehrtätigkeit liegt, auf der zellvermittelten Abwehr oder der humoralen Abwehr. Dieser Schwerpunkt kann sich im natürlichen oder behandelten Verlauf der Erkrankung verlagern. Das Gefährliche an der Leishmaniose ist die Immunkomlexbildung.

Apoptotic-like Leishmania exploit the host´s autophagy machinery to reduce T-cell-mediated parasite elimination
Peter Crauwels, Rebecca Bohn, Meike Thomas, Stefan Gottwalt, Florian Jäckel et al..

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