Low carb und ketogen

Machen low carb und ketogene Diät Sinn beim Haustier?

Diätformen wie Low carb und Ketogen, die der Mensch für sich als zweckmäßig erkannt zu haben glaubt, schwappen meist irgendwann auf das Tierreich bzw. die Haustierfütterung über. Manchmal treibt das dann seltsame Blüten. Da wird dann etwas besonders hervorgehoben in der Werbung für Futtermittel, das eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist – so man artgerecht füttert. Und meist werden Begriffe wenig reflektiert (oder auch manipulativ?) verwendet. Gerne werden auch die englischen Übersetzungen verwendet, was nicht unbedingt zur Klarheit beiträgt.

Beispiel Low Carb

Low carb bedeutet kohlenhydratarm bzw. kohlenhydratreduziert, nicht mehr und nicht weniger. Low carb alleine ist wenig aussagekräftig um eine Ernährung/Diät zu beschreiben. Werden die dadurch eingesparten (Kohlenhydrat)Kalorien durch mehr Fett- und/oder Eiweißkalorien ersetzt oder wird die Energieaufnahme reduziert, indem ausschließlich Kohlenhydrate gestrichen werden? Oder werden nur bestimmte Kohlenhydrate reduziert? Low carb – high fat, low carb – high protein oder low carb – high fiber, low carb – high energy, low carb -low energy?

Ein Low-Carb-Futter zur Gewichtsreduktion oder zur Diabetes-Therapie bei der Katze ist z.B. ausgemachter Schwachsinn. Low carb ist für die Katze artgerecht und Grundvoraussetzung für deren Gesunderhaltung. Das dann als ein spezielles Diätfutter anzubieten, kann man nur als Verdummung des Tierhalters zum Nutzen der Futtermittelindustrie sehen.

Ketogene Ernährung

Ketogen ist jede Form der Ernährung, die zu einer vermehrten Bildung von Ketonkörpern (Acetoacetat, ß-Hydroxybutyrat) im Stoffwechsel führt. Dazu kommt es immer dann, wenn den Zellen nicht genügend Glucose zur Energiegewinnung zur Verfügung steht und Fett zur Energiegewinnung herangezogen wird. Ob es sich dabei um Körperfett bei einer Reduktionsdiät oder um Nahrungsfett bei einer Low Carb Diät handelt ist unerheblich. Und ebenso unerheblich ist,  wieviel Glucose aus der Nahrung gewonnen wird. Entscheidend ist, wieviel davon in der Zelle ankommt! 

Voraussetzung für die Ketogenese: eine gesunde Leber, da diese das einzige Organ ist, das Ketonkörper zu produzieren vermag.

Ist die Konzentration der Ketonkörper im Blut über das normale Maß hinaus erhöht, spricht man von einer Ketose oder Ketonämie.

Zu einer vermehrten Bildung von Ketonkörpern kommt es

  • bei einer energetischen Unterversorgung (Hungerzustand/Reduktionsdiät) und/oder
  • wenn Kohlenhydrate als Energielieferanten aus der Kost gestrichen und durch Fett als Energielieferanten ersetzt werden (sog. Ketogene Diät oder Low-Carb-Diät).
  • wenn ein Insulinmangel bzw. eine Insulinresistenz die Glucoseaufnahme der Zellen reduziert (Diabetes mellitus). 
    Das löst dann wie im Hungerzustand den Abbau von Körperfett aus (Lipolyse) und damit auch die Bildung von Ketonkörpern. Im Blut liegt ausreichend Glucose vor, aber in den Zellen fehlt sie.

Glucose – im Stoffwechsel überlebenswichtig

Auch wenn der Zucker in der Ernährung oft verpönt ist: die Glucose nimmt im Stoffwechsel eine zentrale Stellung ein. Sie dient der Energiegewinnung der Körperzellen. Dazu muss sie nicht mit der Nahrung zugeführt werden. Der Körper kann sie auf verschiedenen Stoffwechselwegen selbst bilden. Der Vorgang der Glucose-Neubildung heißt Gluconeogenese. Glucose kann aus Glyzerin (aus Fettabbau) und aus den glucoplastischen Aminosäuren (aus Proteinabbau) gewonnen werden. Die Gluconeogenese kann man durch keine Diätform, keine Mangelernährung, keinen Hungerzustand unterdrücken. Was die Bedeutung der Glucose für den Organismus unterstreicht! Sie findet statt in Leber, Nierenrinde und in unbedeutendem Umfang in der Muskulatur.

Glucose und ihre Speicherformen

Die verdaulichen Kohlenhydrate der Nahrung sind Einfachzucker (z.B. Glucose = Traubenzucker) und Mehrfach- oder Vielfachzucker (= Oligosaccharide und Polysaccharide) aus unterschiedlich vielen Einfachzuckern. Mehr- und Vielfachzucker werden im Zuge der Verdauung in Einfachzucker aufgespalten und resorbiert. Gespeichert werden die Glucose-Überschüsse im tierischen Organismus in Form des Polysaccharids Glykogen und im pflanzlichen Organismus und in Pilzen in Form des Polysaccharids Stärke. Glykogen und Stärke werden über tierische und pflanzliche Futtermittel aufgenommen.

Mit der Nahrung zugeführt haben Glucose bzw. ihre Speicherformen einen großen Vorteil: Die Glucose steht den Zellen ganz kurzfristig zur Energiegewinnung zur Verfügung, es muß kein komplizierter Ab- oder Umbau im Stoffwechsel stattfinden, der die Energiebereitstellung verzögern würde.

Je höher der Anteil schnell verfügbarer Kohlenhydrate in der Nahrung ist, um so mehr Insulin muss die Bauchspeicheldrüse allerdings produzieren, um die Glucose in die Zellen zu schleusen. Das kann im ungünstigsten Fall zu einer Erschöpfung des Pankreas, zu einer zunehmenden Insulinresistenz der Zellen und zu einem dauerhaft erhöhten Blutinsulin- und Blutzuckerspiegel führen.

Durch die nötigen Verdauungsmaßnahmen (Aufspaltung der Stärke/des Glykogens in Glucose) verzögert sich die Glucoseanflutung im Blut bei Verzehr von Polysacchariden. Glucose- und Insulinanstieg im Blut fallen viel moderater und gleichmäßiger aus, weswegen den Polysacchariden in der Ernährung der Vorzug gegeben werden sollte….egal bei welcher Spezies, die verdauliche Kohlenhydrate überhaupt auf dem Kostplan hat.

Wenn die Zelle nicht genügend Glucose bekommt

Der direkte und schnellste Weg der Energiegewinnung ist also die Energiegewinnung aus den Kohlenhydraten der Nahrung (oder aus den Speichern in Leber und Muskulatur). Länger dauert es, bis Energie aus der Verbrennung von Fettsäuren aus den Nahrungsfette (oder den körpereigenen Fettdepots) oder aus dem Abbau von Aminosäuren aus dem Nahrungseiweiß (oder der Muskulatur) zur Verfügung steht.

Die Zelle kennt nur einen Hungerzustand, nämlich den Glucose-Mangel. Sobald sie diesen meldet, werden Gegenmaßnahmen ergriffen:

Reicht die Energieversorgung mit schnell verfügbaren Kohlenhydraten über die Nahrung nicht aus, wird zunächst die Speicherfom der Glucose (=Glykogen) in Leber und Muskulatur abgebaut und aufgebraucht. Diesen Vorgang bezeichnet man als Glykolyse. Die Leber speichert 1/3 der Gesamtmenge, die Muskulatur 2/3. Ohne besondere Belastung kann so ungefähr der Energiebedarf eines Tages gedeckt werden. Versorgungsschwankungen im Tagesverlauf können über die Glykolyse ausgeglichen werden.

Wenn die Glucosespeicher aufgebraucht sind, wird Glucose aus Glyzerin und den glucoplastischen Aminosäuren aus dem Abbau von Proteinen gebildet. Außerdem wird Milchsäure aus dem Muskelstoffwechsel zur Gluconeogenese herangezogen. So werden wenigstens Erythrozyten und Gehirn mit ausreichend Energie versorgt. Die sind nämlich zunächst auf Glucose angewiesen. Nach einigen Hungertagen stellen sich Erythrzyten und Gehirn glücklicherweise um auf die Verwertung von Ketonkörpern anstelle von Gucose.

Die Fettsäuren aus dem Fettabbau werden (nur) in der Leber zu Ketonkörpern umgebaut. Da die Leber sie nicht weiter verwerten kann, werden sie ins Blut abgegeben. In anderen Geweben können sie dann in den Energiestoffwechsel eingeschleust werden.
Infolge des Fettabbaus steigt im Blut der Gehalt an Ketonkörper deutlich über den Normalwerte an (Ketose). Der pH des Blutes sinkt dadurch ab. Kritisch wird es, wenn durch Störungen im Stoffwechsel (absoluter Insulinmangel – unbehandelter Diabetes Typ 1) vermehrt Ketonkörper gebildet und nicht verwertet werden können. Dann kommt es zu einem übermäßigen Anstieg und zur lebensgefährlichen Übersäuerung des Blutes (Ketoazidose).
3 Enzyme regulieren die Ketogenese. Und auf alle 3 wirkt Insulin ein. Fällt Insulin aus, führt das u.a. zu einem unkontrollierten Anstieg der Ketonkörper im Blut.

Den gefährlichen Anstieg der Ketokörperkonzentration erkennt man auch am Geruch des Atems: er riecht nach Aceton.

Was Hund und Mensch von der Katze unterscheidet

Je nach Tierart gibt es Unterschiede in den genetisch angelegten möglichen oder bevorzugten Wegen der Energiegewinnung. Wieviel wovon und wie verarbeitet werden kann, sollte man bei der Gestaltung jedweder Diät beachten.
Beim Hund ist alles wie beim Menschen. Er kann Kohlenhydrate, Fette und Eiweiß verarbeiten zur Energiegewinnung.
Bei der Katze ist alles anders. Sie ist tatsächlich KEIN Allesfresser, kann Kohlenhydrate aus der Nahrung zwar verdauen und resorbieren aber die anfallende Glucose kaum verstoffwechseln. Dafür reicht die Kapazität des entsprechenden Stoffwechselwegs bei ihr nicht aus. Die Folge: ein Blutzuckeranstieg, der auch durch die resultierende vermehrte Insulinausschüttung nicht abgebaut werden kann. Der ständig überhöhte Insulinsspiegel begünstigt eine Insulinresistenz und damit einen Diabetes.

Die Katze bezieht die Energie vorwiegend aus dem Abbau der glucoplastischen Aminosäuren, die sie zur Gluconeogenese verwendet. Das ist genetisch fixiert und ließe sich allenfalls durch Mutationen im Erbgut ändern. Entsprechend groß ist also der Eiweißbedarf der Katze. Kohlenhydrate gibt es in ihrer Kost natürlicherweise nur im Darminhalt der Beutetiere und in deren Leber und Muskulatur.

Die Katze ist ein reiner Fleischfresser und damit ganz natürlich auf extremer Low-Carb-Diät – so man sie artgerecht füttert.

Der Haushund ist ein Allesfresser geworden. Mensch und Hund sind sich, was die Anforderungen an die Ernährung angeht, ziemlich ähnlich.

Diät bedeutet immer Abweichung vom natürlichen Speiseplan

Natürlicher Speiseplan bedeutet, dass die Nahrung den genetischen Vorgabe hinsichtlich der Verwertungmöglichkeiten folgt. Immer, wenn eine Diät krankheitsbedingt angezeigt oder auch nur erwünscht ist, weil man sich davon irgendeinen u.U. auch abwegigen Nutzen verspricht, sollte man sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Der Körper kann vieles ausgleichen, sich an viele Ernährungsabweichungen/Mängel anpassen – das ist aber zur Überbrückung von Engpässen und nicht als Dauereinrichtung gedacht.

Die ketogene Diät ist eine Form der gezielten Fehl- oder Mangelernährung. Dem gesunden Organismus sind viele Möglichkeiten gegeben, jedwede Form der Mangelernährung mehr oder weniger lange überbrücken zu können. Bei der ketogenen Diät wird ein Stoffwechselweg eingeschlagen, der einen vorübergehendem Kohlenhydratmangel ausgleichen kann und ein Verhungern bei Nahrungsmangel verhindert/verzögert, aber ursprünglich nicht als Dauereinrichtung gedacht ist.

Jede Einseitigkeit kann zu schwerwiegenden Störungen führen! Die Stoffwechselvorgänge sind sehr komplex, selbst kleine Eingriffe können weitreichende und neben erwünschten eben auch unerwünschte Auswirkungen haben und zu speziellen Organbelastungen führen. Ob man das wissentlich in Kauf nimmt (z.B. bei Krebs oder Epilepsie – für beide Erkrankungen wird ein Zusammenhang mit der Kohlenhydrataufnahme diskutiert), ist eine individuelle Entscheidung und muss gut abgewogen werden.