Natürlich, naturidentisch, synthetisch – was steckt dahinter?
Jeder, der sich schon einmal mit Ernährung/Fütterung auseinandergesetzt hat, ist in der Werbung für Futtermittel bereits über diese Begriffe gestolpert und zwar in erster Linie bei den Ergänzungsfuttermitteln. Die sollen das in der Ernährung Fehlende ergänzen und die Wertigkeit der Zusätze zu betonen, fördert natürlich den Umsatz. So werden dann die Begriffe auch nicht wertfrei benutzt. Natürlich suggeriert gute Qualität, synthetisch oder künstlich ist negativ belegt und naturidentisch liegt irgendwo dazwischen und hört sich irgendwie nach nachgebaut an, ohne dass jemand weiß, was das alles eigentlich bedeutet.
Im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB) findet man die Unterscheidung zwischen Stoffen natürlicher Herkunft und Stoffen, die den natürlichen Stoffen chemisch gleich sind. Wobei letzteres bedeutet, dass der Stoff im Labor nachgebaut wurde, also synthetisch bzw. künstlich hergestellt ist. Leider ist die Begriffsbenutzung in der Bewerbung der Nahrungsergänzungen nicht so eindeutig.
Die Natur als großes Chemielabor…..
In der Natur dreht sich alles um Kohlenstoffverbindungen, die von der belebten Natur (Mensch, Tier, Pflanze, Bakterien…) aus Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N) und Schwefel (S) aufgebaut werden. Dazu gehören Aminosäuren, Vitamine, Enzyme, Stoffe mit pharmakologischer Wirkung. Pflanzen und viele Bakterien sind Selbstversorger, sie können alles, was sie brauchen, selbst herstellen.
……und das Labor als Billiganbieter großer Mengen
Die Synthesen der Natur kann man ’nachmachen‘, wie z.B. bei Penicillin und Insulin und vielen Vitaminen geschehen. Das Resultat ist ein synthetischer Stoff mit gleicher Molekülstruktur wie die natürlich vorkommende Vorlage. Dienen natürlich vorkommende Substanzen als Ausgangsmaterialien für die Synthese, spricht man auch von naturidentischen Produkten. Manchmal wird auch von natürlich gesprochen, was aber tatsächlich nur heißt: gleiche Struktur und aus natürlich vorkommenden Ausgangssubstanzen hergestellt. Tatsächlich ist es so, dass der Begriff ’natürlich‘ das von der Pflanze hergestellte Original oder aber die Nachbildung aus natürlichen Stoffen bedeuten kann. Unter den Zusatzstoffen finden sich in aller Regel ’natürliche‘ Nachbildungen. Letztlich kann aber nur der Hersteller Auskunft über die Herkunft geben, gesetzlich gefordert ist sie nicht.
Gleiche Molekülstruktur, gleiche Wirkung?
Bei den Synthesen ist zu beachten, dass der Prozess der Synthese im Körper ein anderer ist als im Reagenzglas – auch wenn man von natürlichen Substanzen ausgeht. Die Ausgangsprodukte, der chemische Reaktionsweg und die ‚technologischen‘ Hilfsstoffe entsprechen sich nicht ….nur das Endprodukt entspricht in seiner Molekülstruktur der natürlichen Vorlage und entfaltet im Organismus auch die gleiche Wirkung. So unterscheidet sich die pharmakologische Wirkung von natürlichem Penicillin nicht von der Wirkung des synthetisch hergestellten. Inwieweit der Prozess der Synthese und Rückstände der Hilfsstoffe aber als Zusatzinfo in das Gesamtinformationspaket eingehen und welche Rolle das spielt, steht in den Sternen. Bei Penicillin mag das hinter der gewünschten pharmakologischen Wirkung zurückstehen, bei einem Vitamin sieht das vielleicht anders aus.
Sind Substanzen natürlicher Herkunft Natur pur?
Alles, was einem pflanzlichen oder tierischen Produkt entzogen wird, wird einem Extraktionsprozess unterzogen. Das ist ein technologischer Prozess, der Druck und/oder Hitze erfordert und für den in aller Regel Hilfsstoffe erforderlich sind. Außerdem müssen die so gewonnenen Stoffe vor der weiteren Verwendung haltbar gemacht werden. Ganz so natürlich – oder besser naturrein – ist die Substanz natürlicher Herkunft dann nicht mehr.
Fazit:
Natürlich ist in den wenigsten Fällen tatsächlich natürlich, selbst wenn es sich um Substanzen natürlicher Herkunft handelt. Tatsächlich natürliche Zusätze im Sinne von wie-in-der-Natur-vorkommend gibt es produktionsbedingt nicht.
Grundsätzlich sind alle im Labor gewonnenen Kohlenwasserstoffverbindungen synthetisch. Wird der Zusatz aus natürlichen Rohstoffen produziert, darf er sich natürlich nennen – was eine irreführende Hochwertigkeit signalisiert, die in diesem Sinne aber nicht gegeben ist.
Viel wichtiger als die Frage, ob man lieber das eine oder lieber das andere Produkt wählt, ist die Frage, ob ein Zusatz überhaupt nötig ist.