Placeboeffekt und Noceboeffekt sind allgegenwärtig
Placebo – jeder kennt den Begriff, vor allem jeder, der Homöopathie praktiziert. Placebo – das hat einen negativen Beigeschmack nach Unwirksamkeit und eingebildeter Arzneiwirkung. Der (alleinige) Placeboeffekt wird der Homöopathie von vielen Gegnern vorgeworfen.
Placebo leitet sich vom lat. placere = gefallen ab, es bedeutet: ich werde gefallen. Nocebo geht auf lat. nocere = schaden zurück und bedeutet: ich werde schaden. Ein Placebo lindert Krankheitssymptome, nimmt Beschwerden. Ein Nocebo ruft Beschwerden hervor, fügt Schaden zu. Placebo und Nocebo sind dadurch charakterisiert, dass sie eine Wirkung entfalten, die sich nicht durch ihre Pharmakologie erklären läßt. Sie sind nichtarzneiliche Substanzen bzw. Substanzen mit geringer pharmakologischer Wirkung. So weit so gut – aber auch die Gabe pharmakologisch wirksamer Substanzen löst Placebo- oder Noceboeffekte aus, heilende oder schädigende Effekte, die sich durch die Pharmakologie der jeweiligen Substanz nicht erklären lassen.
„Placeboeffekte sind positive Veränderungen des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen, die der symbolischen Bedeutung einer Behandlung zugeschrieben werden. Sie können bei jeder Art von Behandlung auftreten, also nicht nur bei Scheinbehandlungen“ (aus Wikipedia). Negative Placeboeffekte bezeichnet man als Noceboeffekte.
Die Bedeutung von Placebo- und Noceboeffekt
Placebo- und Noceboeffekt spielen eine Rolle bei Arzneiprüfungen wie Therapien. Placebo- bzw. Noceboeffekte verfälschen Prüfungsergebnisse und Therapiebeurteilungen. Sie spielen eine Rolle bei homöopathischen Arzneiprüfungen, bei allopathischen Prüfungen und bei jeder Art der Therapie/Behandlung, sei sie nun allopathisch, homöopathisch, energetisch, physiotherapeutisch. Nicht nur Medikamente, auch Operationen, Ernährungsmaßnahmen bzw. jede beliebige Therapieform kann nämlich einen Placeboeffekt haben. Ebenso kann jede Warnung vor Nebenwirkungen oder schädlichen Einflüssen eine Nocebowirkung hervorrufen. Nicht jede Veränderung eines Symptoms ist das Ergebnis direkter Arznei- bzw. Therapieeinwirkung.
Erklärungsversuche
Viele Veränderungen ergeben sich als Folge von positiven oder negativen Erwartungen, von Suggestion und Autosuggestion wie auch von Lernprozessen (Konditionierungen). Man weiß heute, dass die Wirkung einer Arznei oder einer Operation – überhaupt jeden Einflusses von außen – in weiten Teilen von der Erwartungshaltung des Patienten und der Suggestionskraft des Therapeuten bestimmt wird. So können die abschreckenden Informationen des Beipackzettels im Extremfall die Arzneiwirkung aufheben und sogar ins Gegenteil umschlagen lassen. Vorgetäuschte Operationen – den Patienten wurde nur eine Hautnaht zugefügt – bessern den Zustand nachweislich. Überspitzt ausgedrückt könnte man es so formulieren: die Erwartung entscheidet über den Therapieerfolg. Die Frage ist: Trifft das nur auf den Menschen zu oder gibt es so etwas auch beim Tier?
Placeboeffekt beim Tier?
Das Tier hat sicherlich keine Erwartungshaltung hinsichtlich der Wirkung und wird auch vom Therapeuten nicht suggestiv beinflußt. Der Besitzer aber sehr wohl. Das beeinflußt zum einen seine Wahrnehmung und – wenn die Tierart zu Empathie/Sympathie befähigt ist – über die Beziehung zum Besitzer sicher auch das Tier. Die Art und Weise des menschlichen Kontaktes wirkt sich nachweisbar auf den physiologischen Zustand und die Gesundheit von Tieren aus. Dem Tier wird im Rahmen einer Therapie in aller Regel mehr Fürsorge und Aufmerksamkeit zuteil, was sich positiv auf seinen Zustand auswirkt.
Neben Erwartungen, Suggestion und Autosuggestion können auch Lernprozesse auf dem Wege der klassischen Konditionierung Arzneiwirkungen „imitieren“. Seit Pawlow weiß man, wie das funktioniert. Kombiniert man bspw. die Insulinspritze mit der Gabe einer für das Tier wohlschmeckenden Substanz, so reicht nach einigen Wiederholungen die Auslösung der Geschmacksempfindung aus, um im Stoffwechsel eine (biochemisch nachweisbare) Insuilinwirkung zu erzeugen. Für Morphine ist diese Möglichkeit der Konditionierung ebenfalls nachgewiesen. Auch Immunreaktionen (Antikörperbildung) läßt sich auf entsprechendem Wege auslösen.
Placebo/Nocebo hat Wirkung auf die Biochemie
Bemerkenswert ist, dass durch Erwartung/Konditionierung Kochsalzlösung oder Zuckerpille schließlich auf biochemischer Ebene den gleichen Effekt haben wie pharmakologisch hochwirksame Infusionen oder Tabletten. Der Placeboeffekt spiegelt sich auf biochemischer Ebene.
Natürlich kann man durch große Gaben starker Arzneien IMMER eine pharmakologische Wirkung erzwingen. Aber auch dann beeinflußt die Einstellung des Patienten, seine Erwartung die Wirkung, läßt ihn unter Nebenwirkungen leiden oder sie gar nicht wahrnehmen. Der Placeboeffekt hat generell mehr Raum bei schwachen Medikamenten, harmlosen pflanzlichen Mitteln, Ernährungsmaßnahmen etc., kann aber grundsätzlich immer und bei jeder Maßnahme greifen.
Placebo- oder Arzneiwirkung?
Eine direkte pharmakologische Wirkung von einer Placebowirkung zu unterscheiden, ist schwierig und allenfalls im Tierversuch unter Ausschluß von Wiederholungen (die durch Konditionierung und Erwartung Lerneffekte haben) möglich.
Placeboeffekt – gut oder schlecht?
Es stellt sich die Frage, was ist an dem Placeboeffekt eigentlich zu bemängeln? Warum ist eine Maßnahme per se abgewertet, wenn sie tatsächlich „NUR“ als Placebo wirkt – unarzneilich und doch im Endergebnis mit den gleichen biochemischen Veränderungen im Stoffwechsel? Die geringere Belastung mit chemischen Keulen ist ja durchaus ein Vorteil. ABER: Eine Placebowirkung ist an Bewußtsein gekoppelt, sie kommt niemals beim bewußtlosen Patienten zum Tragen und sie ist nicht kalkulierbar. Man kann zwar versuchen, sie gezielt einzusetzen, letztlich entscheidet aber der Patient/Besitzer über die Wirkung. Hinsichtlich des Bewußtseins ergibt sich beim Tier die Frage, ob hier bei enger Bindung nicht das Bewußtsein des Besitzers reicht.
Homöopathie und Placeboeffekt
Natürlich kommen auch in der homöopathischen Behandlung Placebo- und Noceboeffekt zum Tragen und zwar vollkommen unabhängig von der tatsächlichen Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Arzneien. Bedingt durch die fehlende unmittelbare pharmakologische Wirkung der homöopathischen Arzneien werden diese natürlich schnell in die Placebo-Schublade gesteckt. Die Möglichkeit, homöopathische Wirkungen von Placeboeffekten abzugrenzen, ergibt sich aus dem vorherigen Absatz: Wirkt die Homöopathie beim bewußtlosen Tier (das darüber hinaus nicht in enger Beziehung zu einem Besitzer steht), kann sie als durchaus wirksam gelten über einen möglichen Placeboeffekt hinaus, obwohl ihre Wirkung jedenfalls nicht pharmakologisch erklärbar ist.
Wer sich weiter zu dem Thema informieren möchte, dem sei folgendes Buch ans Herz gelegt:
Pharmakognosie – Phytopharmazie aus dem Springer-Verlag, von Rudolf Haensel, Otto Sticher, Ernst Steinegger